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News-Ressort Juni 2008
 
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Politik: Pressemitteilung von Kim Schicklang:

Reformvorschlag der FDP zum Transsexuellengesetz - eine Mogelpackung?

(09. Juni 2008)
Welcher Etikettenschwindel verbirgt sich hinter dem jüngsten Gesetzesvorschlag der FDP zum Transsexuellengesetz?

Nachdem die Grünen im letzten Jahr ja bereits einen ähnlichen Gesetzesentwurf vorgelegt hatten, schiesst die FDP nach und hat nun Ende Mai ihren Entwurf zur Reform des Transsexuellengesetzes veröffentlicht. Erstaunlich ist nun, dass die FDP ebenso wie die Grünen nicht den bisherigen Kern der Diskriminierungen transsexueller Menschen erkennen will: Das psychologische Gutachterverfahren für die Personenstandsänderung.

Weiterhin wird hier Lobbyarbeit für die psychoanalytisch orientierte Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung geleistet, deren Theorien auch im ursprünglichen Transsexuellengesetz ungeprüft übernommen wurden, anstatt die Interessen transsexueller Menschen zu vertreten.

So heisst es in dem nun vorgelegten Entwurf:

"Es ist zu prüfen, ob für die Änderung des Geschlechtseintrages die Anforderungen an die Begutachtung abgesenkt werden können. Insbesondere ist daran zu denken, für das Verfahren gemäß § 9 TSG die Begutachtung durch nur einen Sachverständigen vorzusehen."

Dass das Gutachterverfahren das eigentliche Problem ist, will die FDP ebenso wenig erkennen, wie die Grünen in ihrem Reformvorschlag aus dem Jahr 2007. Somit würde weiterhin die Geschlechtsbestimmung in die Hände von Gutachtern gelegt werden, die bislang immer noch der psychoanalytischen Ansicht sind, dass... Transsexuelle Frauen Männer sind, die von einer Geschlechtsidentitätsstörung betroffen sind und Transsexuelle Männer Frauen sind, welche ebenso eine "Phantasie haben, dem Gegengeschlecht anzugehören"

Dies widerspricht dem aktuellen Wissensstand über Transsexualität und der wissenschaftlichen Erkenntnis um die Angeborenheit von Geschlechtsidentität und Gehirngeschlecht.

Wie der Vorschlag der Grünen will der FDP-Entwurf nun diese Diskriminierung nicht ändern, obwohl sie in ihrem Text selbst folgendes erwähnt: "Das Bundesverfassungsgericht hat weiter ausgeführt, die Geschlechtszugehörigkeit könne nicht allein nach den physischen Geschlechtsmerkmalen bestimmt werden."

Damit bezieht sich die FDP auf eine Aussage des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1978; die richtigen Schlüsse werden hier aber wieder einmal nicht daraus gezogen: Dass die Psyche/Gehirn geschlechtsbestimmender sind, als der Körper und somit jegliche rechtliche und medizinische Behandlung dies eigentlich berücksichtigen müsste, um diesem 30 Jahre alten Gerichtsspruch gerecht zu werden.

Ein Begutachtungsverfahren, wie es nun die FDP weiterhin vorschlägt, würde zur Fortsetzung des Missbrauchs transsexueller Menschen durch die deutsche Psychoanalyse aufrufen, die aus Menschen etwas macht, was sie nicht sind und niemals waren. Eine transsexuelle Frau beispielsweise, welche mit Penis und Hoden geboren wurde, kann niemals Mann gewesen sein, wenn man das Gehirn des Menschen als geschlechtsbestimmender annimmt, als die körperlichen Merkmale und zudem weiss, dass Transsexualität angeboren ist.

Dass das Bundesverfassungsgericht bereits vor drei Jahrzehnten anerkannt hat, die Psyche als geschlechtsbestimmender anzusehen, als den Körper, wurde, obwohl die Einführung eines Transsexuellengesetzes im Jahr 1980 erst anderes vermuten lässt, bislang tapfer ignoriert. Und ein Gesetzesvorschlag, der so aussieht, wie der nun hier vorgelegte, gibt wenig Hoffnung, dass sich daran etwas ändert, wenn man ihn mit dem Vorschlag der Grünen aus dem Jahr 2007 vergleicht. Beide Vorschläge respektieren die Geschlechtsidentität transsexueller Menschen ebenso wenig, wie die Tatsache, dass diese angeboren ist.

Ein psychologisches Gutachterverfahren, dessen Diagnose (Geschlechtsidentitätsstörung), darauf basiert, den Körper als geschlechtsbestimmend anzunehmen, respektiert nicht die eigentliche, vom Gehirn bestimmte Geschlechtlichkeit. Ist das Gehirn/Psyche geschlechtsbestimmend, dann eben nicht der Körper. Wer beides gleichzeitig annimmt, bastelt sich ein Paradoxon.

Da hier weiterhin mittels eines Gutachtens der Körper als geschlechtsbestimmend besiegelt würde (genau hierauf basiert ja die Annahme der Psychoanalyse, dass transsexuelle Menschen dem "Gegengeschlecht" angehören wollen), würden transsexuelle Menschen weiterhin als geistesgestört bezeichnet werdenn.

Ein Gesetz das zum Inhalt haben sollte, lediglich die rechtlichen Einordnungen zu regeln, aber durch den Einbau einer unwissenschaftlichen Begutachtungspraxis dazu führt, dass Menschen zu Verrückten erklärt werden, weil ihr Geist vom Körper abweicht, verletzt die Würde des Menschen. Jedem ernstzunehmendem Mediziner dürfte zudem klar sein, dass das Gehirn das wichtigste Organ des Menschen ist und nicht etwa ein Penis oder eine Vagina. Untersuchungen aus den Bereichen Hirnforschung, Genetik und Endokrinologie haben zudem die Angeborenheit von Geschlechtsidentität mittlerweile bestätigt. Dies wird von den Psychoanalytikern rund um die Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung bis heute geleugnet.

Die Überschrift des Gesetzesvorschlages der FDP "Reform des Transsexuellengesetzes für ein freies und selbstbestimmtes Leben" ist somit ein Etikettenschwindel. In der Packung ist dann das Gegenteil von dem, was das Etikett verspricht: Nämlich die Weiterführung einer in einem Gesetz verankerten Diskriminierung transsexueller Menschen und die Leugnung ihrer eigentlichen Geschlechtlichkeit. Wem das Gesetz so wirklich hilft, ist die Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung.

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Menschenrecht und Transsexualität
Kim Schicklang
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