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Interview


Interview mit Sigurt

Sigurt ist 34 Jahre alt und lebt mit seiner Freundin zusammen in einer Großstadt im Ruhrgebiet. Sigurt hat die Personenstandsänderung bereits hinter sich gebracht und macht nun eine Umschulung zum ITS Kaufmann. Das Interview wurde im Oktober 1999 von Saskia Robins geführt. Sigurt ist per eMail zu erreichen unter:

transgender-net:
Wie alt warst du, als du festgestellt hast, ein Junge zu sein?

Sigurt:
Sieben Jahre!

transgender-net:
Wie hast du es bemerkt, woran konntest du es festmachen?

Sigurt:
Ich bewunderte meinen ein Jahr älteren Bruder und wußte aber, daß es nicht ist, weil ich schwul bin. Es war damals der Penisneid, denn so etwas wollte ich auch haben. Als ich älter iwurde hat sich noch einiges mehr geklärt. Es war dieser komische Körper, den ich nicht leiden konnte. Ich wußte nicht, wie ich damit umgehen sollte. Außerdem habe ich für Frauen weitaus mehr Liebe empfunden, als für Jungens. Mit Jungens habe ich mich nur aus Neugierde abgegeben. Ich wollte alles wissen: wie sieht ein heranwachsender Junge aus, wie fühlen sich seine Muskeln an, wie kratzt so ein Bart, was macht der Penis.

transgender-net:
Wie bist du mit dem Gefühl umgegangen, ein Junge zu sein?

Sigurt:
Ich habe "versucht", es so gut es ging, auszuleben und in der Gesellschaft durchzusetzen oder anzubringen. So habe ich ab dem 16. Lebensjahr auch nur heterosexuelle Beziehungen geführt - zumindest aus meiner Sicht.

transgender-net:
Wann hast du das erste Mal mit jemanden darübergesprochen?

Sigurt:
Es war mit 15 Jahren, denn da hatte ich von einem Operateur in Belgien gehört, der einen operieren würde, wenn man ihm das Geld auf den Tisch legen würde. Ich habe mit einer damaligen Freundin gesprochen. Doch die war wohl noch zu jung. Die nächste, der ich es erzählt habe, war meine Partnerin. Sie war sehr begeistert von dem Vorhaben. Ich denke mir mal, daß sie meinen Körper genauso unpassend fand, wie ich auch.

transgender-net:

An welchem Punkt Deines Lebens hast Du endgültig festgestellt, daß das "ausleben" Deiner Gefühle durch Tragen männlicher Kleidung und die Beziehungen zu Frauen nicht reicht, sondern Du den transidenten Weg gehen mußt, mit Hormontherapie, Namensänderung und Operation?

Sigurt:
Das war mit 29 Jahren, da hat es echt "Peng" gemacht und ich wußte: Nun muß ich den Weg gehen, sonst geh ich kaputt.

transgender-net:
Fiel es dir schwer, diese Entscheidung zu treffen?

Sigurt:
Nein. Ich habe es an einem Abend entschieden. Ich habe alle wenns und abers aufgeführt und dann ging es los.

transgender-net:

Wo hast du die größten Probleme erwartet; wovor hattest du am meisten Angst?

Sigurt:
Das irgendein Oberidiot mich stoppen will. Aber das war Gott sei Dank nur bei einer Person der Fall, zu der ich dann auch den Kontakt abgebrochen habe. Diese Person kannte mich schon 15 Jahre. In solch einer Zeit hätte selbst der Langsamste merken müssen, gemerkt, daß ich ein Junge bin. Auf alles weitere habe ich mich mit Ungeduld gefreut. Selbst der Gedanke an die Operationen machte mir keine Angst, sondern löste bei mir Freude aus.

transgender-net:

Gab es auch positive Reaktionen, mit denen du gar nicht gerechnet hattest?

Sigurt:
Ja. Mein Vater hat mich gefragt, warum ich Ihm nicht eher davon erzählt hätte. So wäre er schon mit mir als Sechszehnjährigem losgezogen. Mein Vater war immer ein Mensch, der seine Gefühle nicht zeigen kann. Desto mehr hat er mich damit erstaunt.

transgender-net
:
Wie hast Du Dein Coming Out gestaltet?

Sigurt:
Ich habe den Entschluß gefaßt und bin dann auf die Menschheit los und habe allen von meinem Weg berichtet und mich mit meinem Namen vorgestellt. Meinen Eltern habe ich es brieflich gesagt, stand aber beim Lesen dabei. Ich wollte Stottern oder Weinen aus dem Weg gehen. Dann habe ich im Essener Kabelkanal meine selbst gedrehte Sendung laufen gehabt, ich wurde zu einer Sendung von Andreas Türck zu dem Thema eingeladen, zusammen mit meiner Mutter. Und ich war letztes Jahr mit der Arbeiterwohlfahrt auf einer Messe in Essen mit einem Info-Stand.

transgender-net:
Du lebst nun schon lange in der Männerrolle, wie wichtig war für dich die Vornamens- und Personenstandsänderung?

Sigurt:
Also die Vornamensänderung war wichtig, damit endlich dieser blöde weibliche Name weg kam. Der Personenstand war nur für die so oft sturen Ämter wichtig, damit diese endlich ihre Computer mit " H E R R " füttern konnten und ich meine Ruhe hatte vor den Briefen mit der Anrede "Frau". Tja, und man braucht ja auch die Personenstandsänderung, um mal heiraten zu können.

transgender-net:
Welche Rolle hat die Selbsthilfegruppe gespielt?

Sigurt:
Eine recht große, da es soooooo viele Betroffene hier gibt und ich mich da eigentlich gut austauschen konnte. Zudem habe ich dort auch neue Freundschaften schließen können. Da ich die Not bei mir selber mitbekommen habe, habe ich die Leitung der FzM Gruppe übernommen. Ich bin gerne für meine Leidensgenossen da. Wenn es in meiner Macht stünde, würde ich gerne noch mehr helfen.

transgender-net:
Was müßte sich, Deiner Meinung nach, am Verhalten der Öffentlichkeit gegenüber transidenten Mitmenschen ändern?

Sigurt:
Sie sollten sich mal klarmachen, was diese Menschen für Qualen durchmachen. Solch ein Schritt ist wirklich kein Zuckerschlecken. Sie sollten dann lieber still sein, als zu verurteilen, zu peinigen, zu lästern. Es ist eigentlich sehr gesund sich seinem Schicksal so zu stellen. Eigentlich sollten sie sich mal von unserer Lebenslust und der Energie eine Scheibe abschneiden. Von allen Behörden würde ich mir mehr Mithilfe wünschen.

transgender-net:
Welches sind Deine drei größten Ziele und Wünsche, die Du in nächster Zeit realisieren möchtest?

Sigurt:
An Nummero Uno meine UMSCHULUNG bestehen und einen Job dadurch bekommen. An Position Due heiraten, wenn die Partnerschaft weiterhin gut verläuft ! !An dritter aber nicht unwichtiger Stelle GESUNDHEIT!