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News-Ressort Mai 2008
 
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Hier noch ein Nachtrag zur LOVE SHAKE Sendung - Transsexualität Transgender - Was ist das genau?

(05. Mai 2008)
Da sind ja sicher noch so einige Fragen zum Thema offen, wo wir gar nicht mehr dazu gekommen sind die zu beantworten. Und in der Aufregung - das war mein erster Fernsehauftritt - hab ich bestimmt auch einige wichtige Punkte dabei vergessen. Also wenn ihr noch Fragen zum Thema habt, dann könnt Ihr mir natürlich auch gerne eine Mail schreiben und ich werde versuchen so gut wie möglich zu antworten.

Was genau sind Transgender?
Transgender ist der Überbegriff für alle, die sich nicht eindeutig einem Geschlecht zugehörig fühlen. Transgender bezieht also alles dazwischen mit ein: Dragkings, Transsexuellen, Transvestiten, Dragqueens. Und ganz wichtig, das hat nichts mit der Sexualität der Leute zu tun, sondern eher mit der allgemeinen Vorstellung wie und was eine Frau und ein Mann ist oder sich zu verhalten hat. Wenn Frau oder Mann da nicht reinpasst, oder reinpassen will...tja, dann findet sich bestimmt was Passenderes bei den Transgendern. Was die Leute dann für sexuelle Vorlieben haben, das steht dann auf einem ganz anderen Blatt. Allerdings wird es dann auch kompliziert von einer hetero- oder homosexuellen Beziehung zu sprechen. So würde ein ein Frau-zu-Mann Transsexueller seine Beziehung zu einer Frau natürlich als heterosexuell empfinden. Dazu kommt noch, dass sich viele Transgender im Laufe ihres Lebens auch immer wieder hin- und herbewegen - sich also mal mehr als Frau und mal mehr als Mann fühlen. Das hängt meist von dem seelischen Druck und dem sozialen Umfeld ab. Wo die Leute dann gerade stehen, das sieht man dann eben auch an der Kleidung.

Wie und wann hast du es gemerkt?
Als meine Eltern mir eindeutig gesagt haben, dass ein Junge dies oder jenes nicht macht und auch nicht machen darf. Ich hatte mir eigentlich nichts besonderes dabei gedacht, wenn ich mich irgendwie zu weiblich benommen habe oder zb die Kleider meiner Schwestern ausgeliehen habe. Man selbst findet das ja ganz normal, man ist ja so wie man ist. Erst als ich dann zur Rede gestellt wurde und sie mir klar machten, dass ich doch nicht womöglich 'n Schwuler sei und das wäre was gaaaanz schlimmes - da ist mir klar geworden, dass da was anders ist bei mir. Und da hab ich auch gelernt, dass ich das besser für mich behalte und bin sozusagen abgetaucht. Ab dort hab ich mich dann auch immer bemüht männlicher zu sein und alles verdächtige zu unterdrücken oder zu verheimlichen. Man legt sich sozusagen eine männliche Rolle zu, wie ein Schauspieler. Ich glaube, das machen viele so.

Wann hast du darüber geredet?
Das erst mal zwangsläufig, wie gesagt mit meinen Eltern, die mich da zu Rede gestellt haben. Dann hat es aber eine ganze Weile gedauert, bis ich mich wieder getraut habe. So ungefähr 20 Jahre waren das bestimmt. Also so mit Mitte 20. Und da hab ich mich dann endlich einer ganz lieben Freundin anvertraut. Sie hat mich aber auch ganz stark dazu ermuntert endlich mal mit meinen Problemen rauszurücken. Da bin ich ihr unendlich dankbar dafür. Es ist schon super wichtig, dass man da auch mal drüber reden kann.

Was/Wer hat dir geholfen? (Mitmenschen, Internet, Foren?)
Internet gab es da noch gar nicht;-) Durch's Fernsehen hab ich dann zum ersten mal von den "Transvestiten" gehört. Eigentlich waren das Dragshows, aber immerhin gab es da schon mal ein Begriff, auch wenn es nicht so richtig gepasst hat. Zuerst geht es aber ja mal darum festzustellen, dass man da nicht so ganz alleine ist. Es gibt also noch andere, das beruhigt dann schon mal. Irgendwie gehört man dann eben schon mal zu einer Community.
Und dann waren es ganz liebe Freundinen die mich auch ermuntert haben auch mehr daraus zu machen. Das fand ich toll und bin ihnen auch sehr dankbar dafür.
Dann gab es da natürlich auch schon Selbsthilfegruppen. Da hab ich mich aber gar nicht wohlgefühlt. Ich hab da einige ausprobiert, aber ich fand die Leute dort eher ... naja, so wollte ich nicht sein. Da gab es natürlich auch total nette Leute, aber eben auch total peinliche. Das war für mich also keine große Hilfe;-)

Wo können sich Leute hinwenden, wo können sie mehr darüber erfahren?
heute gibt es ja das www. Und da findet sich für jeden Topf ein Deckel.
Zum Einstieg und um rauszukriegen, was zu einem selbst passt sind die allgemeinen Infoportale natürlich die erste Anlaufstelle. Im deutschsprachigen Bereich dürfte das transgender-net schon eine der großen Onlineseiten sein. Wenn man dann zuerst mal was Passendes gefunden hat, dann kann man sich ja online schon mal gezielter informieren. Natürlich gibt es auch entsprechende Foren, aber...naja, für den Anfang ist das glaube ich nichts. Da wird zu viel fantasiert und erzählt. Am besten ist dann schon sich eine Selbsthilfegruppe in der Umgebung zu suchen. Die findet man zb auch bei . das ist zb ein Branchenbuch wo wir alle möglichen Adressen für Transgender gesammelt haben - die Selbsthilfegruppen eben auch. Und vielleicht versteht man sich dann ja mit der ein oder anderen.
Mediziner und Psychologen sind erst viel später ein Ansprechpartner. Es sei denn man hat wirklich massive Problem. Transsexualität gilt da übrigens als Krankheit, das wird also von der Krankenkasse bezahlt.

Was rätst du Menschen, die merken, sie sind Transgender?
Sein mutig und vertraue dich einer guten Freundin oder der Familie an. Erzähl so früh wie möglich davon, warte nicht auf 'ne günstige Gelegenheit - die kommt nicht oder eben viel zu spät. Allerdings darf man die anderen auch nicht überfordern. Die wissen meist nichts darüber und sind dann schnell überfordert, wenn man gleich mal vor lauter Begeisterung im rosa TüTü in den Supermarkt stolziert:-) Man muss den anderen eben auch die Chance geben damit klarzukommen.
Und dann lebe so wie du möchtest und nicht wie andere meinen, dass es das Beste für dich wäre.
Vor allem tue dir nicht selbst weh. Und dann versuche also so glücklich wie möglich zu werden.

Hat sich das ?Ansehen? der Transgender in den letzten Jahren verändert?
Das Ansehen der einzelnen Untergruppe ist ziemlich unterschiedlich. Das liegt sicher auch an den Rollen, die die Medien den jeweiligen Transgendern zuordnet. Das sind die Dragqueens - die mag man eigentlich ganz gerne. Über die Dragkings weiß man dagegen kaum etwas. Transsexualität wird glaube ich inzwischen als 'ne Art Krankheit oder eben Schicksal wahrgenommen, das ist ja auch noch akzeptabel und taucht immer öfter so in den Medien auf. Das Bild der Transvestiten in Medien ist aber ganz schön negativ geprägt. Das wird meist fälschlicherweise als Fetisch und sexuell motiviert dargestellt. Das empfinden die Leute noch oft als abschreckend, pervers und abartig. Und dann werden Transvestiten ja auch vorzugsweise als gefährliche Huren oder abartige Mörder gezeigt. Das ist das ja kein Wunder.
Dabei sind gerade die Transsexuellen vom Strich in Wirklichkeit die armen Opfer. Die Täter sind in Wirklichkeit ja doch meinst heterosexuelle Biedermänner.

Wie reagiert die Umwelt auf die Veränderung?
Also ich hab meist gute Erfahrungen gemacht, wenn ich als Frau unterwegs bin. Ok, die meisten Leute nehmen einem auf der Strasse erst gar nicht war. Oder sie versuchen möglichst weg zu gucken. Und dann gibt es noch die total Neugierigen. Vor allem wenn man sich länger unterhält, beim Friseur oder beim Shopping und im Café. Das ist natürlich toll. Und da kriegt man dann auch schon mal den ein oder anderen Tip... du, das und jenes solltest du besser lassen, oder so.
Ich glaube ja, dass Frauen irgendwie besser damit klar kommen. Männer haben da schon eher Probleme mit. Denen ist das meist nicht so geheuer. Zumindest bei Mann-zu-Frau. Bei Frau-zu-Mann könnte ich mir vorstellen, dass das aber genau umgekehrt ist.
Die Freundinnen, die ich ins Vertrauen gezogen habe, die haben meistens schon positiv reagiert. Aber manchmal würde ich mich schon über eine kleine Aufmunterung freuen. Es kostet eben doch immer wieder viel Kraft und Mut, einen Schritt weiter zu gehen.
Und meine Familie ignoriert alle dezenten kleinen Hinweise leider schlichtweg. Da gibt es also keine Reaktion und ich gehe da auch nicht als Frau hin. Ich glaube schon, dass sie zumindest im groben Bescheid wissen. Aber es wird eben einfach nicht angesprochen und ich glaube da ist ein Gespräch zumindest mit meinen Eltern einfach nicht möglich. Und ich habe große Angst, dass das womöglich zu einer Trennung von der Familie führen könnte.

Welche Bedeutung hat das Internet für ?Betroffene??
Ich glaube schon, dass es gerade für Transgender sehr wichtige ist. Es gibt ja auch sonst kaum was anderes. Also hier informiert man sich, in den Foren kann man andere kennenlernen. Viele haben auch eigene Webseiten, wo sie sich in ihrer Wunschrolle präsentieren können. Ach so...und ganz wichtig. Die ganzen Fantasien, Träume und Wünsch die kann man hier natürlich auch wunderbar ausleben, zumindest virtuell. Ich glaub ja, dass es da viele gibt, die online eine komplett erfundene Fantasieexistenz haben. Da wird von Ausflügen und Erlebnissen erzählt, die nie stattgefunden haben. Es gibt auch ziemlich große Webseiten mit 1000enden Geschichten. Ja ich glaube schon, dass das Internet eine sehr wichtige Rolle spielt.

Was sind die größten Hindernisse?
Das größte Hindernis ist wahrscheinlich zuerst mal die eigene Angst. Auch die Angst sich lächerlich zu machen. Das kostet super viel Mut sich jemandem anzuvertrauen oder das erste Mal auf die Strasse zu gehen. Man denkt ja, dass man von allen Seiten beobachtet wird und vor allem auch als Mann in Frauenkleidern entlarvt wird. Jedes Kichern oder Lachen bezieht man auf sich. Wenn man es geschafft hat damit klar zu kommen dann geht es los, dass man mit sich selbst, auch mit dem eigenen Körper klar kommen muss. Naja, ein weiblicher Körper sieht nun mal anders aus als ein männlicher.
Aber das größte Problem ist sicher die Akzeptanz. Die Angst vor dem sozialen Abstieg ist da schon groß. Zumindest bei Transsexuellen. Und es gibt da viele negative Beispiele. Und mit einer beruflichen Änderung muss man auch rechnen. Da ist es natürlich toll, wenn man die Chance hat schon als Kind im Wunschgeschlecht leben zu können.
Transvestiten haben da nicht ganz so große Probleme. Letztendlich ist es ja egal wie man abends oder am Wochenende unterwegs ist, oder? Allerdings wissen die meisten ja nicht, ob es dabei bleibt einfach nur manchmal in eine andere Rolle zu schlüpfen. Das kann sich auch mehr in Richtung Transsexuell entwickeln. Das muss eben jede für sich selbst rausfinden.

Was müßte sich, Deiner Meinung nach, am Verhalten der Öffentlichkeit gegenüber transgenten Mitmenschen ändern?
Naja, die rechtliche Situation könnte natürlich schon leichter sein, zumindest gilt das für die Transsexuellen die auch in ihrem Wunschgeschlecht leben wollen. Da kann man den alten Pass eben nicht mehr gebrauchen. Aber so ein Wechsel ist eben immer noch mit vielen gesetzlichen Vorgaben verbunden. Das ist aber mein Leben, das will ich mir eben nicht von einem Gesetzestext vorschreiben lassen. Da geht mir dann die staatliche Fürsorge eindeutig zu weit. Soweit ich das weiß, ist das aber inzwischen auch schon leichter möglich.
Ein großes Anliegen ist mir auch, dass die Mediziner anders mit den Intersexuellen umgehen. Das sind die Menschen, die nicht mit eindeutigen, sprich mit beiden Geschlechtsmerkmalen zur Welt kommen. Da gibt es wohl immer noch die Meinung, dass die Ärzte und die Eltern die Entscheidung vorwegnehmen und für vollendete Tatsachen schaffen. Das ist echt schlimm für die Betroffenen.
Und für die Transvestiten würde ich mir schon wünschen, dass es da eben mehr positive Offenheit und vor allem auch Respekt vor den Leuten gäbe. Nur weil man etwas nicht kennt und versteht muss man es nicht gleich ablehnen. Vielleicht hilft da ja auch schon etwas Aufklärung.