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Interviews, Berichte & Meinungen
Über die Akzeptanz von Transvestiten

Ein Beitrag von


Ist die Akzeptanz von Transvestiten in der Gesellschaft eigentlich immer noch so gering? Warum lösen Transves-
titen bei vielen Menschen immer noch Ängste aus? Über diese und anderen Fragen macht sich Pia York Gedanken:

Transvestiten passen in Deutschland derzeit in kein gültiges Gesellschaftsschema. Das ist eine Tatsache, die m.E. auch nicht durch verstärkte Werbung mit Transvestiten (Ikea: "Entdecke die Möglichkeiten"), Autos (Seat) und Zigaretten (West) außer Kraft gesetzt wird. Aber woran liegt es, dass die gesellschaftliche Akzeptanz immer noch so gering ist? Aus meiner Sicht kommen hier gleich mehrere Faktoren zum Tragen, die sowohl gesellschaftlicher Art sind, als auch durch unser eigenes Verhalten bestimmt werden.

Zu den elementaren Regeln einer Gesellschaft ge-hört es, dass es Männer und Frauen gibt und das diese - innerhalb der Gesellschaft - unterschiedli-che Rollen wahrnehmen. Auch wenn geschlechtsspezifische Rollen kein Naturgesetz darstellen, gibt es wahrscheinlich nichts, was einen derart starken Einfluss auf die Gesellschaft an sich und den sozialen Umgang hat.

Dieses gesellschaftlich determinierte Rollenver-ständnis ist es, was uns das Leben manchmal nicht ganz einfach macht! Zur Erklärung: Ich habe au-ßerhalb unserer "exklusiven" Gemeinde bislang wenig Menschen kennengelernt, die nicht irgend-wie von uns irritiert waren, wenn sie nicht genau wussten, ob ihr Gegenüber denn nun Mann oder Frau ist. Offensichtlich ist es so, dass es einen er-heblichen Erklärungsbedarf zu geben scheint, der darauf beruht, dass wir mit unserem Tun für den Betrachter/die Betrachterin an den "Grundfesten" des gesellschaftlichen Miteinanders kräftig rütteln.

Eine weitere gesellschaftliches Determinante ist der sogenannte "erste Eindruck": Jede/r registriert nun einmal zuerst, was er/sie sieht, und vergleicht dann diese Eindrücke mit der jeweils individuellen "Landkarte" auf der sich eine be-grenzte Anzahl von "Schubladen" befinden. Wird keine passende "Schublade" gefunden, wirkt dies zumeist irritierend, zuweilen auch beängstigend. Nun, die meisten Aussagen, die ich von Transve-stiten kenne, lassen sich in diesem Kontext wie folgt zusammenfassen: "Ich bin ein Mann - und das bin ich auch gerne - der hin und wieder seine weibliche Seite auslebt!" Eigentlich ein sehr gutes Hilfskonstrukt, um anderen Personen kurz und prägnant zu vermitteln, was man selber darstellt.

Und was machen die "ErklärungsempfängerInnen?" Sie nehmen genau diese Erklärung und versuchen sie in ihre "inneren" Schubladen zu packen. Da es aber keine abschließende Zuordnung gibt, sitzen wir als Transvestiten irgendwo zwischen den Stühlen - im Niemandsland. In diesem Zusam-menhang kommt es dann darauf an, wie wichtig wir unserem Gegenüber sind, da dieser/diese einen nicht ganz einfachen "Kraftakt" durchführen muss, um ihre/seine innere Landkarte neu zu strukturie-ren. Dass dies nicht ganz einfach ist, lässt sich u.a. daran festmachen, das die meisten Transvestiten (inkl. meiner Person) ebenfalls einen ganz erhebli-chen Kraftakt hinlegen mußten, um sich ein Bild über sich selbst zu machen. Bei den meisten Transvetiten ist das Ende dieses Prozesses - der sich oft über Jahre und Jahrzehnte hinzieht - heute noch nicht abgeschlossen.

Da wir also genau wissen, wieviel Kraft und Zeit erforderlich ist, um die mit dem Transvestitismus verbundenen Dimensionen zu erfassen und verar-beiten, erwarten wir oft, dass andere mit viel Ver-ständnis und Sympathie auf uns reagieren. Einige von uns sind dann enttäuscht, wenn ihr Weltbild nicht das gleiche ist, wie das ihres Gegenübers. Im Grunde genommen unterscheiden sich die mit Transvestitismus verbundenen Probleme nicht grundlegend von denen anderer. Was die Dinge in den meisten Fällen so prekär macht, ist die indivi-duelle Anspruchshaltung, frei nach dem Motto "ich erwarte, das meine Umwelt meine Sicht der Dinge teilt!" Wie dem auch sei, es wird immer wieder Personen geben, die - aus welchen Gründen auch immer - mit dem, wie wir sind und was wir errei-chen möchten, nichts anfangen können oder wollen.

Wie dem auch sei! Auf jedenfall sollten wir uns einfach mal vor Augen halten, was wir bisher schon alles erreicht haben. Für uns in Bielefeld heisst das, wir haben un-sere Transgender-Interessengemeinschaft, wir ma-chen Öffentlichkeitsarbeit, veranstalten Parties und können uns relativ frei in der Öffentlichkeit bewe-gen. Etwas, was wir vielleicht nicht sofort schaffen werden ist, dass unbeteiligte Personen wenn sie mit uns konfrontiert werden, sofort ihre innersten Überzeugungen über Bord werfen und uns in ihr Herz schließen. Aber auch daran können wir arbeiten!