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Scheidung und Personenstandsänderung

Von Deborah Campbell

(1. April 2006. Die Kölner Juristin Deborah Campbell setzt sich als Betroffene kritisch mit dem Transsexuellengesetz und seiner Anwendung auseinander. arbeitet eng mit der Rechtsanwaltskanzlei zusammen, die sich mit der kompetenten Betreuung, Beratung und Prozessvertretung von transidenten Personen bei Verfahren nach dem TSG, sowie auf allen damit zusammen hängenden Rechtsgebieten beschäftigt.)

Viele Transsexuelle, die verheiratet sind, möchten dies auch trotz geschlechtsanpassender Operation bleiben. Probleme treten dann bei der Personenstandsänderung auf. Nach dem Transsexuellengesetz (TSG) kann der Personenstand erst und nur dann geändert werden, wenn die Ehe geschieden ist. Nun wäre es für die Betroffenen möglich nach der Scheidung eine eingetragene Lebenspartnerschaft einzugehen. Auf den ersten Blick überrascht, dass die meisten ausdrücklich nicht wünschen, ihre Ehe in eine eingetragene Lebenspartnerschaft zu „überführen“. Aus welchen Gründen auch immer, sie wollen im Rechtsinstitut der Ehe verbleiben.

Insoweit sind Reformvorschläge, welche vorschlagen, im Falle der Personenstandsänderung die bestehende Ehe ohne Scheidung direkt in eine eingetragene Lebenspartnerschaft umzuwandeln sicher gut gemeint. Für einige unbestritten eine Alternative, entsprechen sie nach meiner Erfahrung nicht wirklich den eigentlichen Wünschen der Mehrheit der Betroffenen. Das mag damit zusammen hängen, dass sich beide Institute in den Augen der Betroffenen noch zu sehr unterscheiden. Wie ich im folgenden zeigen werde, wäre es jedoch eine pragmatische Lösung, denn die Vorstellungen der meisten Betroffenen sind zurzeit rechtlich wohl nicht umsetzbar.

Wie repräsentativ meine Erfahrungen sind, kann ich in diesem Zusammenhang nicht sagen. Auffällig ist nur, dass in der mir bekannten Praxis sehr viele Betroffene in der Ehe verbleiben wollen und deswegen sogar die Personenstandsänderung nicht durchführen, obwohl die Voraussetzungen eigentlich vorlägen. Viele empfinden es als äußerst ungerecht, dass das TSG für die Personenstandsänderung zwingend die Ehelosigkeit voraussetzt. Könnte oder müsste der Gesetzgeber sogar das TSG dahingehend abändern, dass für diesen Fall eine gleichgeschlechtliche „Ehe“ erlaubt wäre?

Das BVerfG ist der Ansicht, dass der Gesetzgeber bei Ausformung der Ehe wesentliche Strukturprinzipien beachten muss. Diese ergeben sich aus Art. 6 GG und anderen Verfassungsnormen. Ungeachtet des gesellschaftlichen Wandels und den sich daraus ergebenden Änderungen hinsichtlich der Ausgestaltung der Ehe wird sie als Vereinigung eines Mannes und einer Frau zu einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft definiert, ausgehend von den personenstandsrechtlichen Zuordnungen der Geschlechter.

Nach Auffassung des BVerfG ist es nicht möglich, dass zwei "personenstandsrechtliche" Frauen oder Männer miteinander verheiratet sind. So argumentiert es in ständiger Rechtsprechung, und ich sehe in überschaubarer Zeit keine Chancen, dass sich hier etwas verändern könnte (das AG Berlin Schöneberg hat in einem solchen Fall allerdings dem BVerfG vorgelegt, es wird also in absehbarer Zeit eine entsprechende Entscheidung ergehen).

Um gleichgeschlechtliche Partnerschaften nicht zu diskriminieren wurde das Institut der Lebenspartnerschaften geschaffen. Dieses ist der Ehe in weiten Bereichen nachgebildet, allerdings sind beide Institute auch nicht zu 100% deckungsgleich. Nach dem BVerfG ist es gerade die Gleichgeschlechtlichkeit, welche die Ehe von der eingetragenen Lebenspartnerschaft unterscheidet. Daraus folgt wiederum, dass die Ehe, steht sie auch unter dem besonderen Schutz des GG, nicht in höherem Maße zu schützen sei als andere Lebensformen. Das BVerfG ist also nicht der Auffassung, dass die eingetragene Lebenspartnerschaft ein Minus zur Ehe sein muss. Der Gesetzgeber kann beide Institute einander durchaus deckungsgleich regeln, was allerdings im juristischen Schrifttum heftig umstritten ist. Wenn es rechtlich keinen Unterschied mehr macht, ob man eine eingetragene Lebenspartnerschaft oder Ehe führt, so würde vielleicht die Skepsis gegen eine Umwandlung der Ehe in die eingetragene Lebenspartnerschaft schwinden. Hier ist nun der Gesetzgeber aufgefordert tätig zu werden.

Wenn man als transidenter Mensch die personenstandsrechtliche Änderung anstrebt, so hat man also nur die Alternative, entweder alles so zu belassen wie es personenstandsrechtlich war oder Scheidung, dann Personenstandsänderung und schließlich Wahl der Lebenspartnerschaft.

Das Erfordernis der Scheidung mag in Einzelfällen zu unbilligen Ergebnissen führen, gesetzestechnisch ist es leider unschlagbar logisch. Schwule oder lesbische Paare können in unserer Rechtsordnung keine Ehe schließen. Sie müssen das Institut der eingetragenen Lebenspartnerschaft wählen. Nach § 10 TSG richten sich die Rechte und Pflichten ab Rechtskraft der Entscheidung nach dem neuen Geschlecht. Und zwar ex tunc, also der Transidente wird so behandelt, als ob er schon immer in dem neuen Geschlecht gelebt hätte. Würde man im Falle der Transsexuellen eine (dann gleichgeschlechtliche) Ehe zulassen, so würde man ihnen das zugestehen, was Lesben und Schwulen nicht erlaubt ist.

Natürlich gibt es Ansatzpunkte, eine mögliche Verfassungswidrigkeit anzunehmen. Denn, eine Ehe besteht ja schon, wird also nicht geschlossen. Diese genießt den Schutz des Art 6 GG. Der Gesetzgeber zwingt die betroffenen Personen für die Personenstandsänderung zur Scheidung. Diesen Aspekt könnte man sicher vortragen, dennoch halte ich einen entsprechenden Antrag aus oben dargestellten Gründen für wenig Erfolg versprechend, da nach Argumentation des BVerfG das Erfordernis der Scheidung sachlich gerechtfertigt ist.

Interessant ist auch der umgekehrte Fall, was passiert mit der eingetragenen Lebenspartnerschaft, wenn die Personenstandsänderung rechtskräftig ist. Im Gegensatz zu Ehe gibt es hier keine ausdrückliche Regelung.

Nach einer Ansicht soll eine bereits bestehende Lebenspartnerschaft analog zur Regelung des § 8 I Nr. 2 TSG ein Hindernis für die Personenstandsänderung sein, da es an der Grundvoraussetzung einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft dann fehle.

Nach der herrschenden Meinung steht eine eingetragene Lebenspartnerschaft § 8 I TSG nicht im Wege. Die Gesetzeslücke sei vielmehr bewusst in Kauf genommen worden. Man habe die Angleichung im Hinblick auf die geplante aber bislang noch nicht erfolgte Reform des TSG unterlassen. So fehlt es an einer planwidrigen Gesetzeslücke, eine analoge Anwendung ist nicht möglich.

Das bedeutet, dass die Existenz einer eingetragenen Lebenspartnerschaft einer personenstandsrechtlichen Änderung nach § 8 TSG nicht entgegen steht. Es kann also entgegen dem Wortlaut des § 1 I LPartG eine eingetragene Lebenspartnerschaft zwischen Personen rechtlich verschiedener Geschlechtszugehörigkeit bestehen. Sie kann zwar nicht geschlossen werden, jedoch bestehen bleiben.

Eine Auflösung der Lebenspartnerschaft über die bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten hinaus ist wegen Art 2 I iVm Art 1 I GG ohne gesetzliche Regelung nicht möglich. Wegen des Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes bedarf jede belastende staatliche Maßnahme einer gesetzlichen Grundlage (Gesetzmäßigkeit der Verwaltung). Das TSG umreißt den verfassungsrechtlichen Rahmen für die Grundrechtsentfaltung transsexueller Personen. Eine nachträgliche Einschränkung durch analoge Anwendung des § 8 I Nr.2 TSG stellt einen Grundrechtseingriff dar, der aufgrund seiner Bedeutung/Schwere gesetzlich geregelt werden muss.

Nun könnte man daran denken, dass Art. 6 GG (Ehe) dem entgegen stehen könnte, denn das Eingehen der Ehe wird in diesem fall ja in keiner Weise eingeschränkt. Es ist vielmehr so, dass Raum für die Eheschließung nachträglich eröffnet wird.

Eine Änderung der Geschlechtszugehörigkeit hat demnach keine Beendigung der Lebenspartnerschaft zur Folge. Nach Rechtskraft des Gerichtsbeschlusses können die Lebenspartner dann miteinander eine Ehe eingehen. Da das LPartG kein ausdrückliches Ehehindernis normiert, steht die eingetragene Lebenspartnerschaft auch nicht der Ehe entgegen.

Deborah Campbell