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Stellungnahme zum BGH-Urteil über den Verlust des geänderten Vornamens bei Eheschließungen

Von Deborah Campbell

(4. Januar 2006. Die Kölner Juristin Deborah Campbell setzt sich als Betroffene kritisch mit dem Transsexuellengesetz und seiner Anwendung auseinander. arbeitet eng mit der Rechtsanwaltskanzlei zusammen, die sich mit der kompetenten Betreuung, Beratung und Prozessvertretung von transidenten Personen bei Verfahren nach dem TSG, sowie auf allen damit zusammen hängenden Rechtsgebieten beschäftigt.)

Der erste Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hat am 06.12.2005 beschlossen, dass § 7 Abs. 1 Nr. 3 des Transsexuellengesetzes (TSG) das von Art. 2 Abs.1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützte Namensrecht verletzt. § 7 Abs.1 Nr. 3 TSG wurde im Wege der Anordnung nach § 35 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) für nicht anwendbar erklärt (bis zur gesetzlichen Neuregelung).

Nach Art. 1 Abs. 3 GG sind alle drei Staatsgewalten (Exekutive, Legislative, Judikative) an die Grundrechte gebunden. Gesetze sind dann verfassungswidrig, wenn sie z.B. den materiellen Vorgaben des GG widersprechen, also mit der Verfassung nicht übereinstimmen. An dieser Stelle spielen die Grundrechte eine Rolle. Verstößt ein Gesetz gegen diese, ist es verfassungswidrig und damit unwirksam. Ein direkter Primärschutz gegen Gesetze besteht aber nicht. Man kann als Bürger also nicht unmittelbar gegen ein verfassungswidriges Gesetz klagen. Man muss zumindest betroffen sein und den Rechtsweg ausgeschöpft haben. Indirekter Rechtsschutz ist auch dadurch möglich, dass Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens ein Einzelakt ist, der auf einem Gesetz beruht, welches das angerufene Gericht für möglicherweise verfassungswidrig hält. Dann setzt es das Verfahren aus und legt es dem BVerfG zur Prüfung vor. Das BVerfG kann dann zwar die Ungültigkeit des Gesetzes feststellen, den Gesetzgeber allerdings nicht zu einem positiven Tun verurteilen.

Im vorliegenden Fall heiratete die Antragstellerin, eine Mann-zu-Frau Transsexuelle, ihre Lebenspartnerin. Ihren Vornamen hatte sie bereits geändert, die geschlechtsangleichende Operation nicht durchführen lassen (kleine Lösung). Der Standesbeamte vermerkte gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 3 TSG im Geburtenbuch, dass die Antagstellerin wieder ihren männlichen Vornamen führe.

Daraufhin beantragte die Antragstellerin die Wiederherstellung der Vornamensänderung, was in allen Instanzen erfolglos blieb. Ihre Klage auf Berichtigung des Geburtenbuchs wurde vom Amtsgericht zurückgewiesen. Auf ihre sofortige Beschwerde hin setzte das Landgericht das Verfahren aus und legte dem BVerfG zur Entscheidung vor, ob § 7 Abs. 1 Nr. 3 TSG mit dem Grundgesetz vereinbar sei.

Im vorliegenden Fall wurde überprüft, ob § 7 Abs.1 Nr.3 TSG das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) verletzt. Dessen Aufgabe ist es, die engere persönliche Lebensführung und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen zu gewährleisten. Es beinhaltet das Recht des einzelnen, im weitesten Sinne in Ruhe gelassen zu werden und ist darauf gerichtet, die Privat- und Intimsphäre zu schützen. Es ergänzt als sog. unbenanntes Freiheitsrecht die speziellen Freiheitsrechte in ihrer Grundfunktion zum Schutz der Menschenwürde. Hieraus folgt eine kombinierte Anwendung der Art. 1 Abs. 1 GG (Menschenwürde) und Art. 2 Abs. 1 GG und deswegen ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch in seinem absoluten Kern geschützt (wegen des unabänderlichen Art. 1 Abs. 1 GG).

Hier wurde der Antragstellerin versagt den von ihr gewählten Namen weiterzuführen. Nach der Rechtsprechung des BVerfG verlangt Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG grundsätzlich, dass die Rechtsordnung den gewählten Vornamen respektiert. Nur so könne dieser seine Identität stiftende und ausdrückende Funktion entfalten (vgl. BVerfGE 104, 373, 385 und BVerfGE 109, 256, 266, 267.

Das Namensrecht, welches die hiermit zusammen hängenden Fragen regelt, muss jedoch auch seiner gesellschaftlichen Funktion gerecht zu werden. Insoweit bedarf es der rechtlichen Ausgestaltung und Abwägung konkurrierender Interessen. Es war zu berücksichtigen, dass im Falle der Namensänderung nach dem TSG, Grundsätze des deutschen Namensrechts (Namenskontinuität und Erkennbarkeit der Geschlechtszugehörigkeit) zurückgestellt werden.  

In unserer Rechtsordnung kommt dem Vornamen (auch) die Funktion zu, das Geschlecht des Namensträgers zum Ausdruck zu bringen. Man musste sich deshalb mit der Frage auseinandersetzen, wie Geschlecht bestimmt werden kann, und ob der Schutz des (neuen) Namens einer transsexuellen Person uneingeschränkt gilt. Lehrreich, allerdings auch erschreckend (!) oft an der Realität vorbei und rechtsfern argumentierend, die Stellungnahme der Bundesregierung zum Vorlageverfahren.

Nach der zutreffenden Auffassung des BVerfG kann sich die Geschlechtszugehörigkeit nicht allein nach physischen Merkmalen richten. Sie hängt ganz entscheidend auch von der nachhaltig selbst empfundenen Geschlechtlichkeit ab.

Das TSG ermöglicht es, Identität zwischen empfundener Geschlechtszugehörigkeit und dem geführten Vornamen herzustellen. Die sich im Vornamen widerspiegelnde Geschlechtszugehörigkeit wird von der Rechtsprechung des BVerfG zum intimsten Bereich der Persönlichkeit eines Menschen gezählt. Deshalb darf nur bei Vorliegen von besonders gewichtigen öffentlichen Belangen in diesen geschützten Bereich eingegriffen werden (vgl. BVerfGE 49, 286, 298).

Ein solcher Eingriff ist in § 7 Abs. 1 Nr. 3 TSG zu sehen, der dem Betroffenen den gewählten Vornamen im Falle der Eheschließung wieder entzieht. Es stellt sich also die Frage nach der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung eines solchen Grundrechtseingriffs.

§ 7 Abs. 1 Nr. 3 TSG regelt, dass im Falle der Eheschließung die Vornamensänderung Kraft Gesetzes unwirksam wird. Die Wiederherstellung der Vornamensänderung ist im Gegensatz zu den Fällen der Geburt eines Kindes nicht vorgesehen! Das führt zu dem Ergebnis, dass transidente Menschen, die bereits verheiratet sind die kleine Lösung wählen und trotzdem ihren (neuen) Vornamen behalten können. Heiraten Transidente aber nach der Namensänderung, so wird diese unwirksam. Hier kann man zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der Regelung argumentieren, im dem einen Fall gehe es um das Eingehen der Ehe. Das andere Mal um den Schutz einer bestehenden Ehe, sodass der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht betroffen ist. Verschiedene Sachverhalte können demnach auch unterschiedlich geregelt werden. Ob dem so ist, kann allerdings dahin stehen, da § 7 Abs. 1 Nr. 3 TSG aus anderen Gründen nicht verfassungskonform ist.

Zunächst stellte das BVerfG fest, dass die These, Transsexuelle befänden sich mit der „kleinen Lösung“ im Durchgangsstadium zur „großen Lösung“ wissenschaftlich nicht haltbar ist (siehe auch die Pressemitteilung des BVerfG zur Entscheidung). In der Entscheidung zum Eingehen der Ehe kann des Weiteren auch kein stillschweigender freiwilliger Verzicht auf den bisher geführten Vornamen gesehen werden, sodass § 7 Abs. 1 Nr. 3 TSG mit dieser recht fragwürdigen Überlegung nicht zu retten war.

Da die Antragstellerin personenstandsrechtlich als Mann geführt wird, kann sie, wenn sie ihre Partnerschaft mit einer Frau rechtlich absichern will, nur eine Ehe schließen. Trotz der Vornamensänderung werden Transsexuelle personenstandsrechtlich nämlich als ihrem biologischen Geschlecht zugehörig betrachtet ("kleine Lösung"). Erst mit einem geschlechtsangleichenden operativen Eingriff kann die (personenstands)rechtliche Zuordnung zum anderen Geschlecht erfolgen ("große Lösung).

Nun stellte sich folgendes Problem: Wenn eine Mann-zu-Frau Transsexuelle eine Frau heiratet, so kann der Anschein erweckt werden, die Ehe stehe gleichgeschlechtlichen Paaren offen. Um die Ehe von anderen Rechtsinstituten (z.B. eingetragene Lebenspartnerschaft) abzugrenzen ist es legitim, wenn der Gesetzgeber Regelungen trifft, um bereits den bloßen Anschein zu vermeiden, die Ehe stehe auch für gleichgeschlechtliche Partner offen.  

Die Regelung des § 7 Abs. 1 Nr. 3 TSG ist also dann eine grundrechtskonforme Einschränkung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, wenn sie durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt ist, welches gerade diesen Eingriff erforderlich macht. Bezogen auf das Anliegen des Gesetzgebers muss die Regelung geeignet, erforderlich, angemessen und zumutbar sein.

Nach der Auffassung des BVerfG ist § 7 Abs. 1 Nr. 3 TSG zwar ein geeignetes, mildes und erforderliches Mittel, die Ehe vor diesem falschen Anschein zu schützen. Die Regelung sei aber für die Betroffenen aber nicht zumutbar und somit verfassungswidrig.

Da der Gesetzgeber selbst den Stellenwert seines Vorhabens bestimmt (Demokratieprinzip), ist bei Beurteilung der Zumutbarkeit allein darauf abzustellen, ob die Wertigkeit des öffentlichen Anliegens (hier der Schutz des Instituts „Ehe“) nicht außer Verhältnis zur Intensität des Eingriffs steht. Hierfür kommt es auf die Bedeutung des Grundrechts an, die Eingriffsintensität und die Frage, ob das Grundrecht in seinen wesentlichen Aussagen oder lediglich in einem Randbereich betroffen ist. Der Schutzbereich ist so auszulegen, dass er mit den elementaren Grundsätzen des GG, insbesondere den Grundrechten andere und der grundsätzlich geschützten Werteordnung vereinbar ist (praktische Konkordanz). Hinsichtlich der Zwecksetzungskompetenz der Gesetzgebung bestehen keine allzu hohen Anforderungen, jede vernünftige Gemeinwohlerwägung kann die Einschränkung legitimieren.

Es war also zu beurteilen, ob homosexuelle Transsexuelle in unzumutbarer Weise gezwungen werden, auf einen Vornamen zu verzichten, der ihre empfundene Geschlechtszugehörigkeit zum Ausdruck bringt, wenn sie eine rechtlich abgesicherte Partnerschaft eingehen wollen.

Homosexuellen Transsexuellen ohne Geschlechtsumwandlung steht, da sich durch die bloße Vornamensänderung ihr Personenstand nicht ändert, zur rechtlichen Absicherung ihrer Partnerschaft keine andere Möglichkeit als die Ehe offen. Dadurch verlieren sie jedoch gem. § 7 Absatz 1 Nr. 3 TSG ihren geänderten Vornamen. Die Eingehung einer Lebenspartnerschaft ist nicht möglich, da sie den Vertragsschluss zweier gleichgeschlechtlicher Personen voraussetzt. Die Ehe (Verbindung Mann-Frau), sowie das Institut der Lebenspartnerschaft (§1 LPartnerG „gleichgeschlechtlich“) nehmen für die Begrenzung derjenigen, die sich rechtlich miteinander verbinden können, Bezug auf das Geschlecht der Partner. Die sexuelle Orientierung ist unerheblich, entscheidend ist die personenstandsrechtliche Zugehörigkeit

Diese allein am Geschlecht ausgerichtete Betrachtungsweise führt zu verfassungswidrigen Ergebnissen. Bei der rechtlichen Bestimmung der Geschlechtszugehörigkeit wird nämlich allein auf das durch die Geschlechtsmerkmale bestimmte Geschlecht abgestellt. Ebenso entscheidend ist es nach heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen, das empfundene Geschlecht mit einzubeziehen. Im Falle der hier vorliegenden Diskrepanz zwischen der personenstandsrechtlichen Geschlechtszugehörigkeit und dem empfundenen Geschlecht bewirkt die in Frage stehende gesetzliche Regelung, dass der Betroffene eine rechtsverbindliche Partnerschaft nur bei Verlust seiner durch den Vornamen  ausgedrückten Identität eingehen kann. Hierin liegt eine Verletzung des von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützen Recht auf Wahrung der Intimsphäre und Geschlechtsidentität.

Der Gesetzgeber hat nun dafür zu sorgen, dass den homosexuell orientierten Transsexuellen ohne geschlechtsangleichende Operation die Möglichkeit eröffnet wird, eine rechtsverbindliche Partnerschaft einzugehen.

Er kann § 7 Abs. 1 Nr. 3 ersatzlos streichen. Diese Variante ist wohl die wahrscheinlichste.

Er kann das Personenstandsrecht dahin gehend ändern, dass ein nach TSG anerkannter Transsexueller ohne Geschlechtsumwandlung rechtlich dem von ihm empfundenen  Geschlecht zugeordnet wird. Das wäre sehr modern und geradezu revolutionär. Obwohl sie die beste, klarste und umfassende Lösungsmöglichkeit wäre, ist meines Erachtens nach, die unwahrscheinlichste von allen. Sehr interessant ist es hierzu die Stellungsnahme der Bundesregierung zu lesen, die das Bundesministerium des Inneren zu dem Vorlageverfahren namens der Bundesregierung abgab.

Schließlich kann der Gesetzgeber das LPartnerG entsprechend ändern.